“Tour de Wetterau”

Dieses Jahr 2021 war ganz schön bescheiden und ich meine jetzt nicht dieses C.-V und alle Einschränkungen drumrum. Nein, das alte Knieproblem schlug plötzlich und gnadenlos auf, gleich am Beginn des Jahres, im Januar 🙁 Und zu allem Überfluss gesellten sich hartnäckige Schulterschmerzen dazu. Wochen später stellte sich eine versteckte Lyme-Borreliose heraus. Inzwischen sind Monate vergangen, die Schmerzen blieben und meine Mediziner tappsen noch im Nebel. Das klingt alles unsexy und führte zu einer monatelangen Zwangspause bis Anfang Juni. Erst dann startete ich mit ersten, kleinen Ausfahrten in der Nähe, daheim, ohne viele Höhenmeter, über Feld- und Forstwege. Ganz langsam konnte ich das Pensum steigern, bis hin zu wieder anspruchsvolleren Touren im kleinen Odenwald. Stärkere Belastungen führten aber zu Schwellungen, die wieder einige Tage Ruhe und Erholung erzwangen.

Alle tollen Pläne für größere Touren in alpine Regionen oder sonstwohin, musste ich vorerst vertagen. Um so mehr freute ich mich, als ich diese Tage, bei schönstem Herbstwetter, die Möglichkeit für eine Ausfahrt in der alten Heimat bekam. In den nordöstlichen Ausläufern des Taunus schnupperte ich vor einer Ewigkeit das erste Mal den staubigen Duft der Trails im Wald. Ich erinnere mich gerne an unvergessene Ausfahrten mit meinen Kumpels Osoft und HtUL, als wir zusammen für einen geplanten Lagotrip trainierten. Das war richtig schön damals, Ende der 90-iger, ist ein paar Tage her..

Heute waren wir zu Besuch in Hessen und ich konnte mich für ein paar Stunden in den heimatlichen Wald absetzen. Zum Aufwärmen drehte ich eine Runde über den Johannisberg. Gleich hinter dem Hochwaldsportplatz ging es auf schmalen Wegen steil bergan. Hinter der Weberhütte drehte ich eine erste Schleife auf dem römischen Limeswall, bevor ich zur Sternwarte kam und dem ehemaligen Cafe, mit der Panoramaterasse, hoch über der Altstadt. Leider alles dicht und hermetisch abgeriegelt, warum auch immer. Von hier sieht man von der Frankfurter Skyline bis zum Vogelsberg. Ein duftendes Käffchen dazu musste man sich in Gedanken ausmalen. Egal, ich knipste schnell mein Radl vor dem Panorama und verschwand wieder im Wald.

Die Sternwarte am Johannisberg
Aussicht über Bad Nauheim in die Wetterau

Über die Schutzhütten “Else Ruh” und “Thaler” kam ich zum kleinen Flugplatz bei Ober-Mörlen. Die Sonne strahlte und tauchte alles in warme Herbstfarben. Von hier konnte ich meine Ziele oben am Winterstein gut ausmachen: Steinkopf, Kuhkopf, Gaulskopf, Fernsehturm, alles war da wo’s sein soll.

Blick zum Winterstein mit dem kleinen Flugplatz davor

Weiter vorbei am Waldgrillplatz, wo wir vor einer Ewigkeit lässige Open-Air-Parties feierten, tauchte ich kurz nach der Gnauthhütte in den alten Pferdeweg zum Deutergraben ein. Von Pferdehufen war nichts mehr zu sehen, aber der Trail war jetzt zu einer kurvenreichen Downhillstrecke ausgebaut worden. Auch nicht schlecht! Ich nahm den Spaßhappen dankend mit und nach der schnellen Abfahrt startete ich in den Aufstieg zur Autobahnbrücke. Hinter den imposanten Eichen Förster Sch(D)epp und Hofmann war früher ein verträumtes Pfädlein versteckt. Und zu meiner Freude gab es den Pfad noch immer und der schlängelte sich hoch bis zum Forsthaus Winterstein.

Am Forsthaus Winterstein kann man sehr gut essen

Hier begegnete ich einer Gruppe Downhiller, die mir von neuen Trails mit so einfallsreichen Namen wie “Handkääs” und “Äbbelwoi” erzählten. Ich war gespannt, hatte aber erstmal ein ganz anderes Ziel.

Eingang zur Kaisergrube

Vorbei an der alten Kaisergrube, wo wir zu Schulzeiten mit kleinen Hämmerchen unerlaubt auf einsturzgefährdeten Schutthalden erfolgreich nach Mineralien gebuddelt haben, radelte ich zum Gaulskopf. Hier steht ein uralter Limesturm gebaut von den Römern.

Römerturm am Gaulskopf

Von früher kannte ich einen Pfad, der auf der Kuppe des Limeswalls bis runter ins Vogeltal führte. Den uralten Limeswall gab es natürlich noch, aber auch der kleine Pfad auf der Kuppe war noch da. Es machte so einen Heidenspaß auf dem Limeswall runter ins Vogeltal zu fliegen, dass ich total vergaß ein Bild zu knipsen. Über steile Forstwege kurbelte ich wieder zurück zum Turm und bog von hier in den Limeswanderweg zur Kapersburg ein.

Der mit dem schwarzen Limesturm gut markierte Wanderweg schnörkelte sich immer am oder auf dem Limeswall entlang bis zur alten Burganlage Kapersburg. Hier rollte man, beeindruckt von der tausende Jahre alten Geschichte des Weltkulturerbes, mit viel Respekt durch die Steinfundamente des ehemaligen Kastells.

Mitten im Wald das Weltkulturerbe Kapersburg

Etwas östlich von der Kapersburg endete ein Bauwerk viel neueren Datums: der “Handkääs-Trail”. Ich rollte auf dem parallel verlaufenden Wirtschaftsweg bis zum oberen Einstieg und gönnte mir eine Fahrt durch die schön angelegten Kurven und Anlieger.

Auf dem Trail “Handkääs”

Der Trail ist noch im Bau und hat wegen fehlender Steilheit nicht so den Flow oder ich war einfach schon zu ausgepowert um hier richtig Gas zu geben. Ich arbeitete mich weiter den Hang rauf zum Kuhkopf, einer meiner Lieblingsplätze hier im Taunus. Die kleine Hütte steht aussichtsreich über einer felsigen Schlucht in herrlicher Natur.

An der wunderschönen Kuhkopfhütte

Ein Gipfelbuch gab es immer noch und bekam sofort einen Eintrag verpasst. Auch den kurzen Natursteinpfad runter in die Schlucht nahm ich noch mit. Aber die Sonne stand jetzt tief und mangels Zeit schob ich sogleich wieder hoch zur Hütte und wählte den Weg in Richtung Fernsehturm am Steinkopf. Hier, kurz vor dem höchsten Punkt meiner Tour, kam ich wieder auf den Handkääs-Trail, der sich hier gut bergauf Kurbeln liess.

Der höchste Punkt am Steinkopf mit dem Fernsehturm

Am Gipfel des Steinkopfs gab es noch einen kurzen Plausch mit einem anderen Biker, bevor ich in den Äbbelwoi-Trail eintauchte.

Traileinstieg am Steinkopf

Die Abfahrt war hier ebenfalls noch im Bau und stellte mir mehrere größere Sprungrampen als Herausforderung in den Weg. Das war nicht (mehr) mein bevorzugtes Terrain und so stieg ich nach einigen Metern aus dem Abbelwoi-Trail wieder aus und querte auf einem kleinen Weg den Hang. Meine Hoffnung war den Aufstieg zum alten Holzturm am Winterstein wieder zu finden.

Letztes Sonnenlicht am Holzturm auf dem Winterstein

Das klappte zum Glück sehr gut und trotz fortgeschrittener Zeit kletterte ich auf den inzwischen renovierten Turm. Die Aussicht in die Wetterau war phänomenal.

Aussicht über die ganze Wetterau bis zum Vogelsberg

Ich konnte das Panorama leider nur kurz geniessen und startete zügig in die Abfahrt. Der Wanderweg vom Holzturm runter zum Forsthaus hatte noch immer diesen herrlichen Flow wie früher. Fand ich viel besser wie alle gebaute Murmelbahnen, ist aber sicher Geschmacksache. Kurz vor dem Forsthaus nahm ich noch mehrere Switchbacks vom Äbbelwoi-Trail mit, bevor ich den Auffahrtsweg in hohem Tempo abrollte. Das Tageslicht war jetzt knapp und es war schon richtig duster, als ich an den idyllischen Waldteichen vorbei kam. Von hier war es nicht mehr weit zum Auto und ich war froh, ausgepumpt aber glücklich, über diese besondere “Tour de Wetterau”.

Schöne Abendstimmung, Zeit aus dem Wald raus zu kommen..

Schön war’s nach vielen Jahren endlich mal wieder zu Gast im Taunus!
34km, 3.5h, 757HM


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