Ein neues Abenteuer mit Rad am anderen Lago !!

Im Mai 2022 ergab sich eine schöne Gelegenheit zum alpinen Frühjahrsradeln. Trotz unerfreulicher Wettervorhersage fuhr ich voller Vorfreude in den Süden. “So schlimm wird es schon nicht werden!“, hoffte ich insgeheim auf mediterrane Wärme unter Palmen und Zypressen. Das Knie blieb über den Winter unauffällig. Das sollte auch so bleiben und ein bisschen Bergradeln ist dafür die richtige Medizin. Mein Ziel war das Ticino, die “Sonnenstube der Schweiz”. Es ist immer wieder so ein Mix aus Vorfreude und Anspannung, wenn es in ein neues, unbekanntes Terrain geht. Wie sieht es vor Ort aus? Was erwartet mich am Berg? Kurz hinter dem Gottard, am Ende des längsten Strassentunnels der Alpen, empfing mich der glitzernde Langensee bei herrlichem Sonnenschein. Gleich darauf landete ich im Ticino Mündungsgebiet Bolle di Magadino, am Rand des Lago Maggiore. Das Panorama ließ schon hier keine Wünsche offen. Der See liegt nur knapp 200m über dem Meer und ist von mächtigen Bergen umgeben. Vieles erinnerte auf den ersten Blick an unseren Lago di Garda, vor allem das Gewusel auf den Strassen. In jedem Fall war ich hier mit meinem Radl goldrichtig! Für meinen ursprünglichen Plan einem der höchsten der umliegenden Berge einen Besuch abzustatten, war es leider etwas spät geworden. Kurze Planänderung und so startete ich meine Auftaktrunde direkt von der Unterkunft in Riazzino in den steilen Hang unterhalb des markanten Sassariente Gipfels..

2. Mai 22, Montag: “Monti di Motti”

Die Entscheidung gegen die viel aufwändigere Tamaroschleife stellte sich schon bald als vernünftig heraus. Anstatt mich nach der langen Anfahrt erneut durch den Verkehr zu quälen, kurbelte ich nach kurzem Einrollen auf einem kurvigen, Asphaltbändchen durch die Häuseransiedlungen von Agarone. Mit jedem Meter höher wurde es ruhiger. Der Autolärm verstummte und wich freudigem Vogelgezwitscher. Die liebevoll angelegten Gärten blühten kunterbunt in allen erdenklichen Frühlingsfarben. Es duftete überall nach Blumen und Kräutern und die Luft war schön frisch.

Blumen versüssten die steile Auffahrt..

Langsam kam das ersehnte Urlaubsfeeling auf. Allerdings stieg mein Puls noch schneller, als die Neigung des Strässchens. Bei der Hälfte des Anstiegs, am Ortsausgang von Monti di Curogna, tauchte wie gerufen ein kleiner Brunnen mit einer Bank auf. Kurzes Durchatmen und Kalorien nachtanken!

Als sich der Puls wieder auf akzeptablen Niveau eingeschwungen hatte, setzte ich meine Fahrt fort. Die üppige Natur um mich herum wurde immer eindrücklicher. Steinalte Bäume mit riesigem Wurzelwerk krallten sich in den Steilhang. Immer wieder huschten Eichhörnchen über den Weg und von einer kleinen Lichtung beobachtete mich aufmerksam ein Reh. Ein gutes Stück höher kam ich durch den herrlichen Weiler Monti di Ditto. Das erste Dörfchen mit den für diese Gegend so typischen Rustici. Beim Bewundern der alten Steinhäuschen knallten schlagartig bedrohlich laute Donnerschläge in die Ruhe. Der Himmel verdunkelte sich schlagartig. Einige hundert Meter Luftlinie über mir thronte der markante Felszacken des Sassariente und direkt darüber tobte sich ein Gewitter aus. Die Platzregengüsse waren gut zu erkennen und so nah, dass man den Regen riechen konnte. Ich ahnte Schlimmes und kurbelte zügig weiter.

Der schöne Weiler Monti di Ditto mit Sassariente und Gewitterwolken

Ein flüchtiger Blick auf die Uhr bestätigte, dass ich bereits über die 1000m Höhe geklettert war. Zum Glück wurde die Steigung jetzt sanfter und ich konnte erstmals das große Ritzel verlassen. Im Slalom mussten dicke Steinbrocken und Astwerk umkurvt werden. In einer Rechtskurve gaben die Bäume den Blick über das Maggiadelta zum Lago Maggiore frei.

Tolles Licht! Aber zu dem Panoramabänkchen muss ich bei besserem Wetter nochmal wiederkommen.

Ich verweilte nur kurz. Es fielen dicke Regenspritzer von oben und mit den dunklen Wolken kam ein kalter Wind auf. Das angekündigte Regenwetter war offensichtlich mit großen Schritten zu mir in die Sonnenstube unterwegs.

Schließlich erreichte ich das Dörfchen “Monti di Motti” mit der gleichnamigen Osteria Grotto Monti Motti. Auf der überdachten Terrasse saß nur ein Wanderer Pärchen. Die ersten Menschen seit Beginn der Auffahrt. Der Wirt erspähte mich sofort und verwickelte mich in einen Smalltalk. Wo kam ich her? Wo wollte ich hin uns so weiter. Morgen war hier Ruhetag und er hatte bereits alles fertig. War mir egal. Für eine Einkehr war es viel zu spät. Dazu das unsichere Wetter und der unbekannte weitere Verlauf der Tour.

Auch für Monti Motti muss ich noch einmal mit mehr Zeit wiederkommen.

Ich verabschiedete mich und stach, bei einem kleinen See vorbei, in den Wanderweg. Der Stich war leider nur kurz, denn es ging gleich ruppig und verblockt zur Sache und dazu noch ein paar schmerzhafte, unerwartete Meter bergan. Was jetzt zu meinem Glück noch fehlte, wäre ein ordentlicher Platzregen! Aber es blieb zum Glück bei nur wenigen Tropfen. Nach der Schiebepassage neigte sich der Trail endlich nach unten und wurde mit jedem Meter flowiger. Das gefiel mir jetzt richtig gut, denn die Pfadspur hatte tolles im Angebot: viele Felsplatten und Steinstufen, manchmal auch Graswege und Spitzkehren. Immer wieder verlief der Weg zwischen engen Hauswänden alter, verfallener Steinhäuser ehemaliger Siedlungen durch. Das hatte einen sehr besonderen Scharm!

Im Dörfchen Berzona, oberhalb des wasserarmen Stausees Lago di Vogorno, endete der Abfahrtsspaß. Ich zog die Windjacke über und schnallte die Lampen ans Bike. Durch den tiefen Taleinschnitt des Val Verzasca führte ein kurviges Strässchen. In den unbeleuchteten Tunnels war es bereits zappenduster. Ich ließ meinen Boliden talauswärts fliegen. Einen kurzen Stopp machte ich nur über der eindrucksvollen Staumauer, um einen Blick in die gähnende Tiefe zu werfen. Im Bond-Film “Goldeneye” sprang 007 hier damals 200m in die Tiefe! Die Bungee-Platform war da, aber wäre nix für mich. Weiter ging die Schussfahrt und der Schwung reichte bis vor die Türe meiner Unterkunft in Riazzino.

So schön war mein erster Tag am neuen Lago!

Meine Unterkunft hatte besonderes Flair, was sich an vielen Stellen zeigte.

3. Mai 22, Dienstag: “Cime della Trosa”

In aller Herrgottsfrühe holte mich der Wecker aus meinen Träumen, die mich auch im Schlaf über steinige Ticinotrails führten. Ich öffnete die Tür nur für einen kleinen Spalt und sah mit zugekniffenen Augen, was ich befürchtet hatte: der Wetterbericht behielt recht, es regnete in Strömen! Ich hatte mir für heute Einiges vorgenommen, aber bei Regenwetter machte das kaum Sinn. Ich verkroch mich wieder unter die Decke und überlegte im Halbschlaf, was ich machen könnte. Erst gegen halb 9 trollte ich rüber zum Frühstücksbuffet. Dort wurde ich sehr nett mit italienischen Oldies im Radio empfangen und natürlich das freundliche Personal und der duftende Kaffee heiterten meine Stimmung etwas auf. Nach ausgiebigem Collazione kramte ich die Regenklamotten aus der Tasche und bereitete mich auf eine nasse Ausfahrt vor. In kompletter Montur setzte ich mich noch eine Weile unter das Dach meiner kleinen Terasse und wartete auf besseres Wetter.

Da das nicht wirklich klappen wollte, fuhr ich gegen 11 einfach im Regen los. Mein Ziel war erstmal in die Altstadt von Locarno düsen und eine Eisdiele aufsuchen. Auf dem Weg dahin folgte ich einem Hinweisschild zur Orselinaseilbahn und änderte meinen Eisplan schnell wieder. Kurz vor der Mittagspause erreichte ich die letzte Gondel. Ich war heute der einzige Fahrgast in der großen Kabine, kein Wunder bei dem miesen Wetter.

An der Cardada Station war auch alles ausgestorben. Den kurzen Weg rüber zur Sesselbahn ging es durch einen dunklen Zauberwald den dicke, feuchte Wolkenschwaden durchzogen. Die Sesselbahn zur Cimetta hatte Mittagspause und alles stand still. Zu meiner Überraschung kamen aber ganz überaschend ein paar wärmende Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Ich machte es mir auf einem Bänkchen gemütlich, wo man theoretisch eine mega Aussicht auf den See haben könnte.

Zweites Frühstück vor der Talstation der Cardada Seilbahn. Die Wolkendecke wurde langsam dünner.

Es wurde merklich wärmer und hörte schließlich ganz auf zu regnen. Diese Einladung konnte ich nicht ausschlagen, raffte mich auf und begann den Aufstieg hoch zur Alpe Cardada. Der Wanderweg hatte seinen Namen verdient. Über verblockte Wurzelteppiche lag mein Bike meist auf dem Rücken und es ging nur zu Fuß weiter. Ab und zu grüßte durch die Wolken die Spitze des Monte Gambarogno von der anderen Seite zu mir herüber. Mein Ziel für den morgigen Tag, wenn das Wetter mitspielen würde. Die Alphütte und das Restaurant waren leider noch im Winterschlaf – also gibt es leider keinen Cappuccino. Am Ende des großflächigen Wiesenplateaus, hinter der Alphütte, stand ausgesetzt ein riesiges, eisernes Kreuz auf einem Steinsockel. Ich ließ mich auf einer Bank daneben nieder und genoss den Moment an diesem herrlichen Ort.

Ein echter Genussmoment über den Wolken 🙂

Die Wolken tanzten zwischen der Wasseroberfläche und den Berggipfeln immer hin und her. Beim Umschauen fiel mir das Schild zum “Cardada Biketrail” auf. Der knapp 5km lange gebaute Singletrail schien hier auf dem Plateau zu starten. Ich widerstand der Verlockung und setzte meinen Aufstieg zur Cimetta fort. Ich querte den gesamten, freien Hang unterhalb der Aussichtskanzel. Die Sesselbahn hatte ihren Betrieb inzwischen wieder aufgenommen. Ein Biker winkte mir von oben zu, als ich mich den steilen Berg raufquälte. Ich steige aber nicht ganz bis nach oben auf. Auf der anderen Bergsteite führte zunächst über den steilen Grashang und dann ein flowiger Trail zurück zur Talstation der Sesselbahn, für die ich noch immer meine Fahrkarte in der Tasche hatte. Etwas abenteuerlich saß ich, eingezwängt hinter meinem Bike, in dem engen Sessel der Bahn. Dafür zog der Seilzug ruckzuck wieder nach oben und die Aussicht war auch bei dem Wetter nicht schlecht.

Eingezwängt aber glücklich in der aussichtsreichen Sesselbahn zur Cimetta

Die Webcam von der Cimetta-Aussichtsplattform hatte ich daheim regelmässig für Wetterchecks genutzt. Heute war ich beim 15:45 Uhr Shot mit drauf.

Beim Selfie auf der Cimetta-Aussichtsplattform hatte mich die Webcam geknipst 🙂

Auch der “Swing the World”-Schaukel konnte ich nicht widerstehen.

Swing the World!

Nach dem Touristenprogramm wurde es allerdings wieder ernst.

Über einen unwegsam, verblockten Felsenpfad ging es steil nach oben. Die Gipfel der benachbarten, wenige hundert Meter höheren Berge, waren mit Neuschnee bepudert und die Wolken blieben hier immer wieder hängen. Über mir hatten sie genug Abstand und mein Gipfelziel war frei. Ich musste mich immer wieder umdrehen und den Weitblick zum hinter mir liegenden Lago Maggiore zu geniessen und auch um den Puls zu beruhigen. Keine Menschenseele weit und breit!

Bike+Hike Aufstieg zur Cime della Trosa. Im Hintergrund die Cimetta.

Oben auf dem Gipfel des Cime della Trosa gab’s auf den letzten Metern noch eine kleine Kletterei, die erst am Gipfekreuz endete.

Auf den letzten Metern zum Gipfel nochmal eine kurze Kletterei.

Was hatte ich für ein Glück mit dem Wetter! Ich hätte nie geglaubt, dass ich heute noch hier auf knapp 1900m trocken bzw. überhaupt stehe.

Aussicht vom Gipfel!

Ich liess mir die rundum Aussicht eine ganze Weile schmecken, knipste ein paar Erinnerungsfotos und stürzte mich schließlich in die Abfahrt in den Steilhang auf der Rückseite der Cime della Trosa.

Beginn der Abfahrt über den Gipfelgrat.

Der Trail zur Alpe Bietri war wie gemalt und in jeder Hinsicht Kategorie besonders wertvoll, genau richtig schwer und mit ein wenig Geschick komplett fahrbar. Genau so muss das sein!

Wunderbarer Trail zur Alpe Bietri!
Kurze Verschnaufpause vor der urigen Alpe.

Auf einen Trail folgte jetzt der nächste. Ein Gewitter aus ganz unterschiedlichen Weglein durch abwechslungsreiches Gelände, mal flowig, mal steinig, sehr schmal und kurvig, dann wieder etwas breiter. Nach einer Steilstufe landete ich schließlich auf der sattgrünen Wiese vor dem Grotti Monti di Lego und dem gleichnamigen Dörfchen. Wieder alles zu und noch im Winterschlaf.

Auf der Wiese vor dem Grotti Monti di Lego.

Ich machte es mir an dem kleinen See vor dem Grotti gemütlich und kaute hungrig auf meinen Riegeln herum. In dem See tummelten sich Goldfische und Riesenkröten. Nach dem Päuschen zeigte der Trail ins Val Resa nochmal Zähne in Form von Steintreppen und verblockten Spitzkehren. Nach der ersten Häuseransammlung bog ich von der kleinen Asphaltstrasse wieder in die Pampa ab und landete auf einem anspruchsvollen Freeridetrail, der bei den nassen und rutschigen Bedingungen heute meine letzten kaum noch vorhandenen Körner auffraß, bis ich schließlich auf steilen Sträßchen zurück nach Riazzino rollte. Ein toller Tag trotz des miesen Wetterstarts. Ich war total platt!

Ausblick von meiner Terasse zum Monte Tamaro.

4. Mai 22, Mittwoch: “Alpe di Neggia”

Im strömenden Regen kurbelte ich flach durch die Bolle di Magadino bis nach Magadino. Ich kam gerade noch so rechtzeitig zur Haltestelle. Der Posti hatte den Motor schon angeworfen und wollte gerade abfahren. Etwas ungläubig öffnete der Fahrer die vor Wasser triefende Scheibe und schaute mich mitleidig an. Ich fragte freundlich und für erstaunlich günstige 6 FR bekam ich einen trockenen Platz im Bus. Die kurvige Fahrt über das enge Strässchen dauerte fast eine Stunde. Als wir oben an der Alpe di Neggia ankamen regnete es in Strömen. Ich suchte erstmal Schutz in einem kleinen Unterstand, nahe der Haltestelle. Das sich mein Warten auf besseres Wetter über zwei Stunden hinziehen würde hatte ich nicht gedacht.

Geduldiges Warten auf die angekündigte Wetterbesserung…

Ich studierte die Tier- und Pflanzenkundetafeln, bis ich sie in und auswendig konnte. Immer wieder blickte ich den steilen Hang zum Monte Gambarogno hinauf und sah wie die Windböen den Regen über das nasse Gras peitschten. Ich versuchte mich irgendwie bei Laune und warm zu halten. Ein knallharter Biker kurbelte im strömenden Regen über den Pass und grüßte mich freundlich auf Italienisch. Ich grüßte zurück und überlegte, ob es nicht sinnvoller wäre mit dem nächsten Postauto wieder ins Tal runter zu fahren. In dem Moment kamen zwei Mädels mit ihren eBikes in voller Regenmontur und gesellten sich zu mir in den Unterstand. Es war nur kurz Zeit für einen kleinen Plausch, dann stiegen sie tatsächlich in den ankommenden Bus nach unten. Ich blieb da und hoffte weiter auf besseres Wetter. Immer wieder guckte ich im Handy auf die Wetterapp, die bald eine Wolkenlücke ankündigte. Nach ewig langem, geduldigem Ausharren klarte der Himmel etwas auf und ich konnte endlich starten.

Bei noch immer leichtem Nieselregen rutsche ich in die Abfahrt. Überall hingen noch die Reste der Regenwolken in den Bergen.

Am Einstieg in den ehemaligen “Carbon Trail”

Ich hatte natürlich kurz mit dem Aufstieg zum Gambarogno geliebäugelt. Aber es war gut, dass ich es gar nicht erst probiert hatte. Der Gambarogno bleibt auf der Liste und irgendwann komme ich bei gutem Wetter nochmal hierher. Der Trail schien für Velos optimiert. Es hatte zwar viele Steine, aber bei guter Linienwahl kam der Flow. Der Zauberwald triefte vor Wasser. Ich musste gut aufpassen, es war sehr rutschig und steil.

Eine gute Linienwahl war hier zwingend erforderlich!

Immer wieder musste ich Bäche überqueren, an denen die Brücken fehlten. Durch den Dauerregen waren die Bachläufe voll. An einer Stelle musste ich, mit dem Bike in der Hand, über die reissenden Fluten springen. Das war nicht ungefährlich, ging aber zum Glück gut und ich kam trockenen Fusses rüber auf die andere Seite.

Im Hintergrund der Pass mit der Alpe di Neggia und der mächtige Monte Gambarogno.

Zur Alpe di Trecciura gab es einen knackigen Gegenanstieg der schlauchte mich heftig, blieb aber der einzige Uphill für heute. Zusätzlich erschwert wurde das Ganze durch die vielen Baumstämme, die in der Passage überklettert werden mussten. Von der einsamen Alm gab es eine herrliche Aussicht auf den Lago.

Blick von der Alpe di Trecciura über den Lago. Gegenüber der Cime della Trosa auf dem ich Gestern stand.

Im weiteren Verlauf nahm der Pfad beträchtlich an Flow zu. Bei trockenen Verhältnissen hätte ich es über ein langes Stück richtig laufen lassen können. Nur leicht bergab verlor ich nur wenig an Höhe, aber die Neigung reichte aus, um ordentlich Beschleunigung zu bekommen.

Der Pfad gab immer wieder die tolle Aussicht auf den Lago frei

Bei dem Weiler Monti di Vira hatte sich jemand viel Mühe gemacht und den gesamten Weg mit Holz ausgekleidet. Als Abschluß holperte ich durch ein Steinmassaker, bis ich erschöpft aber glücklich bei den Villen oberhalb von Magadino aus dem Wald fiel. Hier blühte es in bunten Farben.

Ich rollte runter zum See und hing noch ein bisschen auf der sehr gepflegten, heute menschenleeren, Wiese am See in der wärmenden Sonne ab, bevor es zurück durch die Bolle di Magadino zurück nach Riazzino ging. Heute war ich zeitig zurück und konnte so auf meiner kleinen Terasse gemütlich in der Abendsonne diese superlange Abfahrt nochmal im Kopf abfahren. Wieder hatte ich einigermassen Glück mit dem Wetter, auch wenn der Tag etwas anders verlief als ursprünglich geplant. Zufrieden und müde trottete ich zum verdienten Abendessen.

5. Mai 22, Donnerstag: “Monte Tamaro”

Morgens war’s noch trocken draußen und ich startete voll motiviert in den Schlusstag meines allerersten Ticinobesuchs. Als ich mit dem Auto am nördlichen Zipfel des Luganer Sees ankam, begann es bereits leicht zu nieseln. Aber alles noch okay, wenn es so bliebe… Mit etwas Sucherei benötigte ich von Agno bis Rivera beinahe 1 1/2 Stunden. Hätte ich diese Runde am ersten Tag gewählt, wäre es ein dunkler Nightride geworden. Endlich an der Talstation der Kabinenbahn in Rivera angekommen, ließ ich mich in den feuchtkalten Nebel auf die Alpe Foppa hiefen.

Gondelbahn Rivera – Alpe Foppa

Weit und breit kein Mensch, ausser einer Schulklasse die lautstark die Sommerrodelbahn unsicher machten. Ich verschwand im Nebel, der jetzt immer dichter wurde. Der kehrenreiche Schotteranstieg kostete ordentlich Körner. Ich saugte die frische Bergluft auf. Die Szenerie erinnerte mich sehr an den Tremalzo.

Die Atmosphäre beim Aufstieg hatte was..

Den Fernsehturm passierte ich fasst unbemerkt und plötzlich tauchten die Umrisse der Capanna Tamaro im Nebel auf. Unterwegs hatte ich von heißer Suppe und Cappuccino geträumt, aber die Hütte war noch im tiefen Winterschlaf.

Die maximale Höhe hatte ich jetzt erreicht, aber bis zum Einstieg in die Abfahrt war noch ein verblocktes Wegstück über die Krete zu überwinden. Immer wieder musste ich Schneefelder durchstapfen und die Füße wurden eklig nass. Als ich unterhalb des Tamarogipfels den Abzweig erreichte war die Abfahrt kaum zu erkennen. Die Sicht betrug nur wenige Meter. Es zogen dunkle Regenwolken auf und es wurde nass, sehr nass! Nirgends war ein Unterstand auszumachen, das Gelände war zu ausgesetzt. Ich musste losfahren und im Starkregen rutschte ich mehr als ich rollen konnte über den Trail.

Bei Starkregen startete ich in den Trail

Bei gutem Wetter sicher ein Traum, aber heute bei diesen Bedingungen sicher das Gegenteil. Prompt fädelte ich, in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit, mit dem Vorderrad ein und katapultierte meine träge Masse mit Schwung über den Lenker. Das hätte schnell ins Auge gehen können, aber zum Glück war nicht allzu viel passiert. Ein heftiger Schlag auf den Oberschenkel sorgte für dumpfen Schmerz im Inneren desselben. Nach kurzer Schadensbeurteilung am Rad und voll Adrenalin fuhr ich im strömenden Regen weiter den steilen Hang hinunter. Alles triefte vom Wasser und Dreck. Die Bremsen schleiften nervtötend und unermüdlich.

Kurzer Blick zurück auf das soeben Gefahrene. Oben links in den Wolken ist der Monte Tamaro Gipfel und in Höhe des kleinen Sattels davor startete meine Abfahrt

Bei der kleinen Alm La Bassa suchte ich mir einen dicht gewachsenen Tannenbaum und wechselte darunter die triefenden Klamotten. In dem Moment ging ein Graupelschauer danieder und ich war froh über den natürlichen Unterstand. Um den Monte Ferraro herum gab es nochmal einige schöne Singletrails, die bei den nassen Bedingungen gar nicht so einfach zu bewältigen waren. Nach dem Sturz der erst ein paar Minuten hinter mir lag ging sowieso nicht mehr so viel.

In der tollen Landschaft den Lago di Lugano in Sichtweite

Hinter Arosio war die Wegefindungen dann kompliziert, weil mein Handy nicht mehr wollte. Scheinbar hatte es bei dem Sturz was abbekommen. Ich konnte die Karte nicht checken und bin weiter einfach der Nase nach in Richtung Cademario gefahren. In dem Ort fand ich erneut einen trockenen Unterstand, als wieder ein starker Regenschauer runterprasselte. In Cimo habe ich die Wegsuche dann schleißlich aufgegeben und rollte die letzten dreihundert Höhenmeter über die Strasse zurück nach Agno. Im Auto hatte ich meine letzten trockenen Klamotten und so fand dieser Höllenritt hier sein Ende. Aber ich werde irgendwann wiederkommen und diese Runde nochmal bei schönem Wetter machen. Bei Sicht unter zehn Meter macht eine Panoramatour wie diese nicht wirklich Sinn, aber die Erinnerung zählt!

Dem Kollegen gefiel die feuchte Witterung

So ging mein erster Biketrip ins sonnenverwöhnte Ticino sehr regnerisch zu Ende. Aber es war sehr schön und ich komme wieder!

Tracking
Monti di Motti: 26.5 km, 832 HM, 866 TM, 2:45h netto, 3:27h gesamt, max Höhe 1033m.
Cima della Trosa: 41.1km, 801 HM, 1978 TM, 4:16h netto, 5:35h gesamt, max Höhe 1867m.
Alpe di Neggia: 24.1km, 138HM, 1265 TM, 2:00h netto, 2:40 gesamt, max Höhe 1405m.
Monte Tamaro: 43.7km, 722 HM, 1735 TM, 3:59h netto, 5:08 gesamt, max Höhe 1890m.

ENDE.

Kategorien: '2221-30AllgemeinSchweiz

3 Kommentare

osoft

osoft · 22. April 2023 um 21:15

Wenn Du wiederkommst, nimm mich mit in die Sonnenstube der Schweiz.

    ptz

    ptz · 12. Mai 2023 um 20:52

    Danke für die Blumen 🙂
    Oh ja, lass uns ganz bald zusammen hinfahren, lieber heute als morgen ..

osoft

osoft · 22. April 2023 um 21:13

An die Staumauer “Golden-Eye” kann ich mich auch noch gut erinnern, da war Fabian gerade auf der Welt, heute ist er 18 Jahre und wird wohl dieses Jahr mich zum Lago chauffieren. Die Zeit vergeht…
Aber Dein Bericht ist wie immer spitze. Bei Regen sich zu motivieren doch noch eine Tour zu starten ist schon schwer. Und dann komplett nass auf diesen Trails, da sollte man besser zu zweit unterwegs sein.

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