! Juli 2021: in Überarbeit !
” … und es war gar nicht soo teuer … “
Von Jahr zu Jahr ist es schwerer den über den dunklen Winter lange ersehnten Biketrip in die Tat umzusetzen! Ein Trip in die Alpen ist immer der Höhepunkt unserer Bikesaison und es tun sich inzwischen leider von allen Seiten fast unüberwindbare Hindernisse auf. Wenn der kostbare Moment endlich da ist, wollen wir die Zeit natürlich so gut es nur geht auskosten. Vor allem wenn das Zeitfensterchen nur auf ein jämmerliches, verlängertes Wochenende zusammengeschrumpft wurde – umso wichtiger ist eine ausgefeilte Vorbereitung. Aber auch dafür ist inzwischen kaum ein Freiraum. Trotzdem ist es immer wieder ein Spass, über den gestrichelten Linien der Wanderkarten und vielen anderen Quellen zu brüten, bis die passende Route ausgetüftelt ist. GPS hab ich keins und Guiden lassen oder Roadbooks nachfahren geht irgendwie gar nicht. Alle Touren sind Handarbeit, in diesem Sinne viel Spaß beim Lesen 🙂
— Tag 1, Freitag der 3. Oktober 2014 —
Die Anreise mit dem Auto bis Sion lief ganz entspannt ab. Es war noch Dunkel als ich meinen Kumpel Mac80 früh morgens dabeim abholte. Wir quatschten die gemeinsam erlebten oder in Planung befindlichen Biketouren nochmal im Detail durch und so verging die Anfahrt wie im Flug. Im Maps hatte ich einen kleinen Parkplatz im Weinberg oberhalb von Le Mont ausgemacht. Die Idee war möglichst nahe an der “Bisse de Clavau” das Auto abzustellen, denn genau hier sollte Morgen am Mittag unsere Abfahrt enden. Wir hatten Glück und fanden schnell den gesuchten Stellplatz. Jetzt wurde es kurz hektisch, denn wir mussten alle wichtigen Utensilien in die überschaubar, großen Rucksäcke packen und durften nichts vergessen. Eigentlich war daheim schon alles verpackt worden, aber man traute sich selbst nicht und so wurde noch einmal eine Bestandsaufnahme gemacht, bevor wir das Auto veriegelten und in die Altstadt von Sion abrollten. Wir verkniffen uns eine einladende Einkehr in eines der belebten Cafes, denn wir hatten heute noch einen brutal, langen Anstieg vor uns. Schier endlose 16km rollten wir auf der Südseite der Rhone auf einem gut ausgebauten Radlweg bis Siders/Sierre. Unser Ziel war die Standseilbahn Funiculaire, die uns den Aufstieg nach Crans Montana erleichtern sollte, satte 1000Hm. Wir verpassten leider gerade eine der Auffahrten und überbrückten die Wartezeit mit einem Anruf daheim. Zu dem Zeitpunkt waren wir noch guter DInge, denn es war erst früh am Mittag. Den nächsten Dämpfer gab es an der Télécabine Violettes. Die freundliche Mitarbeiterin am Schalter verweigerte uns die Auffahrt mit der Kabinenbahn. Ich war mir sicher, dass Biker hier normalerweise mitgenommen werden, hatte ich das doch irgendwo gelesen. Aber die Dame blieb standhaft und ließ uns Abblitzen. Wir überlegten kurz die Auffahrt zu treten, aber es gab einen Plan B. Wenige Kilometer weiter östlich gab es eine weitere Kabinenbahn, die uns die 700Hm hoch nach Cry d’Er shutteln konnte. Hier war es überhaupt kein Problem mitzukommen. Wir waren zwar jetzt auf 2250m Höhe angekommen, aber wir mussten rüber zur Violettes Bergstation queren, denn hier startete unsere geplante Aufstiegsroute zum Pointe de la – Plaine Morte. Der Wanderweg verlief in etwa auf gleicher Höhe bleibend den quer zum Hang und sah laut Karte gut machbar aus. Wir hatten sowieso keine Wahl. Einiges Auf und Ab gab es dann doch und kostete uns Körner und vor allem Zeit. Letztere rannte uns jetzt langsam davon. Die obere Kabinenbahn von der Violettes zum Pointe war wegen Sanierung geschlossen, was wir vorher schon wussten. Den Aufstieg zwischen den Gipfeln Tubang und Mont Bonvin, über den Rezlipass Col du Sex Mort zum Pointe hatten wir eingeplant. Aber das es sowas von sacksteil durch das hässliche Winterskigebiet gen Himmel ging machte uns fertig. Die gut 700 Höhenmeter durch die Steinwüste hatten es in sich.
Irgendwann ist aber auch der längste, härteste und hässlichste Anstieg zu Ende und so war es bei uns auch. Vom höchsten Punkt am Pointe de la Plaine Morte gab es eine kleine Abfahrt an deren Ende wir dem Plaine Morte Gletscher sehr nahe kamen.
Dampfend lag der mächtige Eisklotz direkt vor uns. Leider hatten wir keine Zeit den Anblick länger zu genießen. Um den kleinen Gipfel Pointe de Vatseret herum mussten wir uns im ständigen Auf- und Ab durch eine endlos erscheindende Wüste aus Fels und Stein kämpfen. Die Wisshorelücke auf 2851m war dabei nicht der einzige Passübergang den wir überqueren mussten. Dieses Stück vom Pointe bis zur Hütte hatten wir uns sehr viel leichter vorgestellt. Auf der Karte waren es nur wenige Zentimeter und kaum Höhenmeter-Unterschiede, aber in der Natur lagen mehrere Auf- und Abstiege und unzählige Felsbrocken im Weg und machten uns das Leben richtig schwer. Dazu kam der Wettlauf mit der Zeit und gegen die drohende Dunkelheit und Eiseskälte. Das hatte was von Abenteuer, aber mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
Die folgende Beschreibung des hammerharten Aufstiegs von Cry d’er 2255m hoch zur Wildstrubelhütte 2789m ist auf Basis meiner Aufzeichnungen an dem Abend entstanden und gibt einen Eindruck unserer Erlebnisse an diesem Herbstnachmittag im Hochgebirge.
Der harte Aufstieg zur schweizerischen Mondseite..
Wir sind knapp unter 3000m und die Luft ist dünn, also langsam weiter bergauf tragen! In kleinen Schritten, einen Fuss vor den anderen, dass Rad auf dem Rücken liegend. Um uns herum seit Stunden nur noch Felsen und Steine. Die Sonne ist seit einigen Minuten hinter dem Mont Blanc untergegangen. Jetzt leuchtet der Schnee auf den höchsten Gipfeln kurz hellorange-rot. Dann ist alles in hell-dunkelgrau, wirkt unwirtlich. Nach der Karte müssten wir bald den Scheitelpunkt erreicht haben. Ich glaub nicht dran, dass wir die Hütte heute noch bei Tageslicht sehen. Einige Meter über uns ist wieder ein kleiner Pass – der fünfte oder sechste kleine Pass heute.. Kann es danach noch höher gehen oder ist gar die Hütte in Sicht? Mein Höhenmesser zeigt 2920m. Wir wuchten uns mit letzter Kraft nach oben. Und? Fehlanzeige – nur Felsen und Steine. Also weiter! Ein kurzes Stück ist fahrbar, dann muss das Bike wieder auf den Rücken, ich trage es immer weiter nach oben. Ein paar große Felsbrocken müssen wieder überklettert werden. Von Osten zieht plötzlich eiskalter Nebel zu uns herüber. Wir passieren den “Plaine-Morte“ Gletscher. Gänsehaut macht sich breit, die Kälte oder was? – Jetzt kann es nicht mehr weit sein, oder doch? Schwer zu sagen. Auf der Karte sind es nur noch zwei oder drei Zentimeter bis zum Ziel – die ersehnte, warme Hütte. Hier ist nichts, nur Steine und Felsen, also langsam weiter bergauf, Schritt für Schritt. Unaufhaltsam dämmert‘s. Es wird dunkel und wir mittendrin! Der Mond ist da, aber nur als helle Sichel. Vielleicht wird er genug Licht spenden, wenn es ganz dunkel ist. Werden die rot-weissen Wegmarkierungen im Dunkeln noch erkennbar sein? Hat nicht das Handy eine Funzel – ist die hell genug? Fragen gehen einem durch den Kopf, wenn man sich im Mondschein auf 3000m Höhe einsam durch ein Meer aus Felsen kämpft. Der nächste Pass ist sichtbar! Ganz schön weit weg.. Das müssen nochmal gute 100Hm sein. Kann das sein? Es ist zu dunkel um den Höhenmesser abzulesen. Hilft alles nichts, wir müssen da rüber und wieder bangen. Kommt auf der anderen Seite endlich die ersehnte Hütte? Es wird immer dunkler. Jeder geht sein Tempo. Wir haben schon länger nichts mehr geredet. Irgendwie muss Kraft gespart werden, wer weiss was noch kommt. Also langsam weiter bergauf steigen. Schritt für Schritt den kaum mehr erkennbaren Wegmarkierungen folgend, durch die Felsen. Die Meter erscheinen endlos, die Kraft ist aufgebraucht. Ich fluche nochmal leise vor mich hin, über die Schalterdame in der Talstation der Violettes-Bergbahn, die uns keine Tickets verkaufen wollte und uns gnadenlos in den Berg schickte. Da verloren wir die Zeit, die uns jetzt fehlte. Was für eine schöne Vorstellung, wenn wir uns hier am Nachmittag im warmen Sonnenlicht ganz gemütlich hätten Hocharbeiten können. Mit häufigen Pausen, ab und an in der Wärme chillen. Sonne? Licht? Nichts mehr, alles weg – schon lange, oder doch? Ein kleines Licht?! Da ist die Hütte! In Sichtweite. Doch! Ich bin auf dem Pass oben und die Hütte liegt etwa 50 Hm unter mir – schlappe 300m Luftlinie. Zwei Altschneefelder sind noch zu passieren und dann sind wir daheim, im Warmen – wie ge!l ! Diesen Moment muss ich irgendwie im Bild festhalten und knipse Mac wie er über das Schneefeld klettert, im Hintergrund leuchtet der Mond.
Dann sind wir da – endlich! Die Begrüssung in der Hütte fällt eher klein aus. Okay, man hatte uns erwartet, aber scheinbar nicht wirklich vermisst. Wahrscheinlich geht man davon aus, dass Bergwanderer um diese Jahreszeit mit entsprechender Ausrüstung unterwegs sind. Unsere Lampen hatten wir daheim gelassen, hätten nie geglaubt, dass wir sie hier und jetzt gebrauchen könnten, dass war uns jetzt aber auch egal. Ausserdem waren alle gerade mit Essen oder Essen verteilen beschäftigt. Für uns war es ein unbeschreibliches Hochgefühl, diese Herausforderung am Ende doch erfolgreich gemeistert zu haben. Das Abendessen hatten wir uns wahrlich verdient. Es war lecker, sah zumindest lecker aus. Denn ich konnte nur die Suppe essen. Ich bekam sonst nichts runter, mein Magen war wie zugeschnürt und ich zitterte am ganzen Körper vor Erschöpfung. Oder war es doch wegen der abendlich Fotosession vor der Hütte, wo Mac versuchte die letzten Lichter im Bild einzufangen und das bei inzwischen frostigen Temperaturen. Ich jedenfall ging sehr früh ins Bett und die Wärme kam unter der Decke schnell zurück und mit ihr ein wohliges Glücksgefühl.
— Tag 2, Samstag der 4. Oktober 2014 —
Teil 1: Abstieg von der Mondseite und Landung in mediterranen Weinbergen
Die Nacht war kurz. Es dauerte, wie immer bei so großer, körperlicher Anstrengung, lange bis ich zur Ruhe kam und kaum eingeschlafen, brachen die ersten Frühaufsteher auf und störten den wohlverdienten Schlaf. Wir quälten uns schließlich auch aus der Koje und saßen beim Frühstück doch alleine, weil alle anderen, ausnahmslos Wanderer, schon weg waren.
Die Hütte hatte ihren Scharm, vor allem im alten Teil. Draussen strahlte die Morgensonne vom Himmel. Unsere Bikes waren noch da. Der Morgentau glitzerte in feinen Eiskristallen von den Alurähmen. Nachts hatte es Frost. Ich dachte kurz an unseren gestrigen Aufstieg in der Dämmerung zurück und es fröstelte mich bei dem Gedanken im Freien unter einem Felsen übernachten zu müssen. Wir nahmen uns fest vor, dass uns das nie mehr passieren sollte!
Wir knipsten noch ein wenig die Berghütte, die uns den notwendigen Schutz für die eisige Nacht gespendet hatte, in der felsigen Umgebung und starteten schließlich voller Vorfreude in die lange Abfahrt zurück nach Sion im Rohnetal: von 2789m runter auf 485m. Die Glückshormone vermischten sich allerdings schnell mit Adrenalin, denn gleich hinter der Hütte begann ein ruppiger Wanderweg, der sacksteil, verblockt und kehrig den Hang runterführte. Nicht nur die herrliche Aussicht rüber zu den Rawilseen zwang uns immer wieder zum Absteigen. Ein Sturz gleich bei der ersten richtigen Abfahrt unseres Ausflugs in die Berge wollten wir doch unbedingt vermeiden. Wir hatten ja heute noch viel vor!
Nach und nach wurde der Weg aber leichter und der Flow über die Rawyl-Hochebene und den gleichnamigen Pass nahm schließlich kein Ende mehr.
Eine Steilstufe gab dann den Blick auf den blaugrün schimmernden Lac de Tseuzier frei.
Der Weg kippte wieder steiler ab, aber so ganz nach unserem Geschmack und wir ließen die Bremsen offen. Ruckzuck rollten wir auf der Südseite am Seeufer entlang.
Die herrliche Natur spiegelte sich auf der Wasseroberfläche im glasklaren Wasser. So haben wir uns das vorgestellt.
An der Staumauer gab es ein kleines Restaurant und wir ließen uns für ein Käffchen auf der naturbelassenen Terasse nieder. Unser Abfahrtstrail startete direkt daneben. Anfangs ein breiter aber sacksteiler Forstweg, waren wir nicht sicher, ob wir den richtigen Abzweig gewählt hatten. Aber schnell mündete die verhasste Waldautobahn in einen schmalen Wanderweg. Der verlief ab jetzt aber mal richtig spektakulär! An der fast senkrechten Felswand entlang der Suonen Wasserleitung Bisse d’Ayent klebte der Weg steil oberhalb der Schlucht des La Liène Bergbachs. Nicht alles war fahrbar, aber vieles 🙂
Der Trail forderte uns alles ab Nicht alles war fahrbar
Als sahniges Tüpfelchen gab es einen kurzen, engen und vor allem dunklen Tunnel mit Lichtschalter am Tunneleingang zu durchkriechen. Mit unseren breiten Lenkern mussten wir etwas improvisieren, aber wir kamen heile auf die andere Seite. Nach dem Weiler Luc gab es nochmal einen feinen Singletrail in die La Liène Schlucht. Der mündete schließlich, bei der Wasserfassung der Bisse de Clavau, als fast endloser kilometerlanger Pfad, immer entlang der Bisse de Clavau Wasserleitung durch die Rebhügel oberhalb von Sion und spuckte uns am Ende direkt vor unserem Auto wieder aus. Wahnsinn! Was für eine abwechslungsreiche Abfahrt!
Wir packten unsere Siebensachen und die Bikes ins Auto und fuhren, mit einer kurzen Mittagspause beim Meckes, einige Kilometer die Rhone entlang flussaufwärts ins Goms zum Örtchen Reckingen. Hier suchten wir einen geeigneten Stellplatz fürs Auto und bauten die Räder wieder auf. Nach der Endlosabfahrt von der Wildstrubelhütte mussten kleinere Wartungsarbeiten an den Boliden gemacht werden. Bei mir waren die Bremsbeläge runter. Etwas Hektik brach aus. Wir wollten unbedingt rechtzeitig starten, denn die Uhr rannte erbarmungslos. Reckingen lag auf ca. 1300m und unser Tagesziel die Galmihornhütte war knapp 1000 Höhenmeter über uns. Das versprach wieder eine sehr lange Auffahrt.
Teil 2: Der Aufstieg zur Galmihornhütte endete erneut in der Dunkelheit
Zum Aufstieg gibt es nicht so wirklich viel zu erzählen. Im urigen Weiler Wiler mussten wir uns entscheiden, ob links oder rechts rum. Wir wählten den breiteren Wirtschaftsweg, der uns links rum durch das Bächital steil bergauf führte. Mehr und mehr gingen wir ins Schieben über. Die Kräfte waren von dem langen Tag auf den Bikes aufgebraucht. Daran konnte auch der Bächigletscher nichts ändern, der je höher wir kamen, mehr ins Blickfeld rückte. Blöd war, dass plötzlich miese Wetter und einsetzender Dauerregen. Die Wolken waren schwer und kamen immer näher über unseren Köpfen, bis wir schließlich im Nebel versanken und uns durch das Nichts Meter für Meter weiter aufwärts kämpften. Der breite Weg ging in einen Wanderweg über und das Tageslicht verschwand – viel schneller als Gestern. Irgendwann verloren wir auch die Wegspur und landeten bei einem Einsiedler vor seiner Hütte. Der schickte uns ein Stück zurück, wo wir offensichtlich einen Abzweig verpasst hatten. Es wurde dunkel, richtig dunkel. Aber wir fanden den Abzweig und die Pfadspur führte bergab und auf ein paar Lichter zu, die sich zum Glück als Fenster der Gaststube unserer Hütte herausstellten. Was für ein Glück! Wir waren da!
Die Hüttenwirtin hatte uns schon mit dem Abendessen erwartet. In der Hütte war es laut. Eine ganze Fussballmannschaft feierte hier ihren Saisonabschluß. Uns störte es nicht, denn wir waren platt. Gleich nach dem Essen war Pennen angesagt. Heute schlief ich schnell ein. Vielleicht lag es an dem Regen, der lautstark auf’s Dach prasselte.
Tag 3, Sonntag der 5. Oktober 2014
Das Frühstück war üppig. Reichlich Halbhart-Bergkäse aus frischer Bergmilch, von glücklichen Kühen, die hier auf den saftigen Gomser Bergweiden grasen dürfen. Sehr lecker!
Wir bekamen übrigens alles aufgetischt was noch im Kühlschrank war, denn die Wirtin sperrte nach uns zu. Heute war der letzte Hüttentag für die Sommersaison.
Zum Frühstück und nochmal beim Abschied vor der Hütte, gab es zwei Schnäpse für jeden.
Zur Wegzehrung gab es nochmal zwei, so daß wir super gelaunt die Abfahrt runter ins Tal anrollten. Naja, nicht so ganz richtig. Vor dem Abfahrtsspaß mussten wir zunächst sacksteile 100 Höhenmeter aufwärts schieben. Der Einstieg in den Abfahrtstrail war ein gutes Stück über uns. Immerhin, oben angekommen waren unsere Köpfe wieder halbwegs klar. Das Wetter war dafür erneut eine Suppenküche.
Blitzten beim Frühstück noch die Sonnenstrahlen durch’s Fenster, so hingen die Wolken jetzt tief und wir hatten den feuchtkalten Nebel um uns herum. Der Trail liess allerdings keine Wünsche offen.
Das schmale Pfädchen windete sich in gut fahrbaren Kehren steil den Abhang hinunter. Als wir die Baumgrenze erreichten, waren einige Lärchen bereits am Glühen und tupften die Natur in bunte Herbstfarbtöne. Der Spaß war groß und die Abfahrt dauerte schön lange, denn das technisch anspruchsvolle Gelände erzwang langsames, konzentriertes Befahren.
Erst am Rand des Dörfchens Reckingen endete unser Wanderweg und wir rollten zurück zum Auto. Dabei bewunderten wir einmal mehr die urigen Holzhäuser, wie sie auf den im Wallis typischen, flachen Stützsteinen ausbalanciert wurden und so sicher schon einige hundert Jahre stabil standen.
Zurück am Auto warfen wir alles rein und fuhren wieder einige Kilometer weiter der Rhone entlang flussauswärts bis zum Dörfchen Obergesteln. Hier checkten wir in unsere vorreservierte Pension “Zum Lärch” ein und rollten mit den Rädern bis ans Talende in Oberwald. Von hier fuhr mehrmals am Tag ein Posti zum Grimselpass, dem Startpunkt unserer Nachmittagstour.
Ruckzuck hatte das Postauto die kurvenreichen 800 Höhenmeter von Oberwald hoch zum Grimselpass laut hupend geschafft. Eisiger Wind blies von den Gletschern im Westen über den Totesee direkt in unsere Klamotten. Wir kramten die Windbreaker aus dem Rucksack und genehmigten uns einen schnellen Cappuccino.
Nach der Pause folgten wir dem aussichtsreichen Asphaltsträsschen oberhalb des milchigen Grimselsees.
Es ging stetig bergan und so konnten wir entspannt die Blicke über die beeindruckende Hochgebirgslandschaft schweifen lassen und das Panorama aufsaugen. Das war auch gut so, denn die Wolken wurden wieder dichter. Innerhalb weniger Minuten war alles um uns herum in Nebel gehüllt und der Regen peitsche uns entgegen. Beim Punkt 2384 kurz vor der Abfahrt zum Berghaus Oberaar verließen wir das Asphaltsträsschen, schulterten die Räder und stiegen in den Wanderweg ein.
Vom Aussichtspunkt Bäregg hätten wir einen schönen Blick über den Oberaarsee zum gleichnamigen Gletscher erwartet, aber leider war nur die mächtige Staumauer direkt unter uns erkennbar. Der Rest versteckte sich im feuchtkalten Nebel. Wir hielten uns nicht lange auf und namen Kurs auf’s Sidelhorn. Der Wanderweg führte uns am Bergsee Triebteseewli vorbei, wo der steile Aufstieg über den Aargrat am Triebtenseelicke-Pass begann. Ursprünglich war ein Abstecher zum Gipfel des Sidelhorns geplant, aber bei der Nebelsuppe schenkten wir uns das und suchten nach Abfahrtsmöglichkeiten runter ins Tal nach Oberwald.
Mir war es zu naß und eklig immer wieder die Karte rauszukramen und nach dem Weg zu suchen. Irgendwie fand sich immer wieder ein netter Trail, wenn wir einfach der Nase lang nach unten abtauchten.
Nach gut 1300 Tiefenmetern erreichten wir den Talboden und waren froh über die heisse Dusche und freuten uns auf’s Abendessen.
Tag 4, Montag der 6. Oktober 2014
In der Nacht zog es sich weiter zu und wir hörten sogar im Schlaf den Regen auf’s Dach prasseln. Das versprach nichts Gutes. Es war unser letzter Tag hier und wir hatten für den Vormittag vor der Heimfahrt noch eine Schleife über den Furkapass geplant. Mit dem Postauto rauf und mit den Bikes wieder runter. Aber leider wurde daraus nichts. Das Wetter und Programm daheim machten uns einen Strick durch die Rechnung. Nach dem Frühstück packten wir alles ein und fuhren mit dem Auto hoch zum Furkapass. Es nieselte immer noch leicht. Etwa ab Höhe des Passes waren die Berge weiß gezuckert. Wir hielten am Pass kurz an und fuhren die geplante Abfahrt zurück nach Oberwald mit dem Finger nach. Zwischen dem Rhonegletscher und dem Muttgletscher hätte uns ein sicher, bei den Bedingungen, anspruchsvoller Wanderweg erwartet. Aber es sollte heute nicht sein. Vielleicht ein anderes Mal. Immerhin blieb uns noch die kurvige Autoabfahrt runter nach Andermatt, bevor es durch den Gotthard in den Autobahnmodus wechselte.
Die Schweizer Bergwelt ist so schön, da kommen wir bestimmt irgendwann einmal wieder.
Die Videoschnipsel von unserem Trip – gefilmt und zusammengeschnitten von meinem Kumpel mac80:
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